Forum ›Fachleute unter sich‹
Bereit für neue Materialien
Stricker Fahrzeugbau:
Erstes Fräszentrum im Einsatz
Eigentlich sollte der Stanz-Nibbelautomat erneuert werden. Doch das neue BES Multi-Cut Center ist flexibler. Es macht den Weg frei für die rationelle Bearbeitung zukunftsweisender 3D-Materialien.
Hohlkammerprofile, Sandwichplatten mit isolierenden Kernlagen und Profilbleche kann man sicherlich als 3D-Materialien bezeichnen. Anders als massive Bleche sind sie nicht mit Stanzen und Scheren zu bearbeiten. Das hat Wilhelm Stricker deutlich erkannt. Seit 1985 lenkt er die Geschicke des 110 Jahre alten Familienunternehmens. Gegründet als Stellmacherei, werden seit 20 Jahren in Ostbevern im Münsterland in Individualfertigung Anhänger, Viehtransporter und Messepräsentationstrailer hergestellt. Mit dem weiteren starken Standbein Aufbauten für Feuerwehrfahrzeuge kooperieren sie mit dem Unternehmen Schlingmann in Dissen, einem bedeutenden Hersteller von Feuerlöschfahrzeugen.
»Unsere Stärken liegen in der Anfertigung von Einzel- und Sonderaufbauten in kundengerechter Ausführung«, erklärt Wilhelm Stricker. »Die Anforderungen der Kunden können nur mit einem starken und qualifizierten Team von Mitarbeitern – aktuell sind es knapp 30 – zufriedengestellt werden, dazu gehört auch eine fundierte fachliche Ausbildung. Sechs junge Leute lernen bei uns den Beruf des Karosserie- und Fahrzeugbauers. Wir fertigen die Fahrzeuge überwiegend in Handarbeit. So haben wir die Möglichkeit, noch während der Produktion besondere Wünsche unserer Kunden zu berücksichtigen.«
Das bedeute aber nicht, dass bei Stricker keine fortschrittlichen Technologien eingesetzt werden. Auf Wilhelm Strickers Tisch liegen deshalb auch Materialproben, die sicher in der Zukunft seinen Alltag bestimmen werden. Leichtigkeit eines neuen Materials bei hoher Stabilität ist Grundvoraussetzung, schallabsorbierend und wärmeisolierend soll es sein, aber auch problemlos zu verarbeiten. Nicht alles auf seinem Tisch ist schon jetzt einsetzbar, aber geeignete Materialien sind darunter. Nur sollten sie auch im eigenen Hause bearbeitbar sein!
In dieser Situation brachte der Maschinenhändler Wocken aus Meppen das Multi-Cut Center der BES GmbH aus Bad Eilsen ins Gespräch.
Anders als bei den in der Metallbearbeitung üblichen CNC-Fräsmaschinen bietet das Multi-Cut Center bei allen Maschinentypen einen fast beliebig groß auszulegenden flachen Aufspanntisch an. Der ist genau für die Bedürfnisse des Fahrzeugbaus ausgelegt. Diesen Tisch überspannt ein hochpräzises Fahrportal, das sich in X-Richtung bewegt. Die groß dimensionierten Führungen dieser Achse sind beiderseits des 2.450 mm breiten – und bei Stricker ›nur‹ 3.050 mm langen – Tisches angeordnet. Für andere Einsatzfälle wären hier bis zu 6.500 mm lange Tische möglich.
Damit Stricker dennoch in Ausnahmefällen bis zu sechs Meter lange Fahrzeugwände mit Ausschnitten und Einfräsungen versehen kann, haben die Monteure vordere und hintere Anschläge eingebaut. Die langen Wände liegen dann nur zur Hälfte auf dem Maschinentisch. An den vorderen Anschlägen angelegt, steht die Wand hinten über und liegt auf genau eingestellten Stützen auf. Für Bearbeitungen im hinteren Bereich werden die hinteren Anschläge benutzt und das Bauteil steht vorne über.
Das Portal wird als Gantry-Achse gefahren, das heißt, auf beiden Seiten sind elektronisch synchronisierte CNC-Achsmotore angeordnet. Auf der dem Bediener zugewandten Seite trägt das Portal die Führungen der Y-Achse. Darauf läuft der Support mit dem Z-Achs-System.
Die Bestückung mit Bearbeitungswerkzeugen kann sehr umfangreich sein, bei Stricker wurde nur eine Hochfrequenzspindel mit bis zu 40.000 U/min und 6,5 kW eingesetzt. Diese Frässpindel bedient sich in dem Pickupmagazin mit den gewählten Werkzeugen selbst.
Das Magazin ist an der Tischhinterkante angeordnet. Die Techniker aus Bad Eilsen haben hier eine Sonderversion eingebaut. Der Magazinträger überragt freitragend die gesamte Maschinenbreite. Er ist so hoch aufgebaut, das – wie oben beschrieben – die langen Fahrzeugwände unter den hängenden Werkzeugen hindurchgeschoben werden können.
Die hohe Einsatzflexibilität resultiert aus dem einfachen und genialen Spannsystem. Der flache Spanntisch aus Aluminium ist oberseitig rasterförmig genutet. Absperrbare Vakuumleitungen münden in ihn, so dass mit in die Nuten eingelegten Gummirundschnüren einzeln schaltbare Felder entstehen. Im Normalfall wird aber der gesamte Tisch mit einer MDF-Platte abgedeckt. Diese mitteldichte Faserplatte ist aus dem Möbelbau bekannt. Sie ist luftdurchlässig, bietet aber auch eine solide Auflage für flache Werkstücke. Nachdem eine große Metallplatte aufgelegt wurde, evakuiert die Vakuumpumpe den Raum unter der MDF-Platte und saugt damit auch die luftundurchlässigen flächigen Werkstücke fest. So fest, dass die Schnittdrücke durch die Reibung sicher aufgenommen werden.
Die Trennfräser müssen beim Ausfräsen die Unterseite der Platte durchtrennen. Dabei fräsen sie etwa zwei Zehntel Millimeter tiefe Spuren in die MDF-Platte. Durch diese Spuren wird Falschluft gezogen, auch durch die nicht abgedeckten oder schon ausgefrästen Bereiche. Die Vakuumanlage ist aber so leistungsfähig bemessen, dass der Unterdruck unter den Platten hoch genug bleibt. Durch die Fräserspuren wird die MDF-Platte uneben. Sie wird von Zeit zu Zeit von der Maschine selbst wieder um wenige Zehntel Millimeter ab- und damit glattgefräst. Erst wenn sie zu dünn für die Funktion ist, kommt eine Neue zum Einsatz. Die Kosten dafür sind sehr gering.
Damit ist für Stricker der Weg frei für die präzise Bearbeitung aller Werkstoffe aus Flächenmaterial. Aus den Blechtafeln und anderen Großplatten lassen sich alle kleineren Bauteile für einen Auftrag flächenoptimiert ausfräsen. Aber auch Bauteile, die nur einzeln benötigt werden, sind schnell und wirtschaftlich auszufräsen. Aus Hohlkammerprofilen kleben die Mitarbeiter von Stricker komplette Wandplatten zusammen. Mit dem BES Multi-Cut Center sind Ausschnitte für Fenster, Klappen und Handgrifföffnungen in kurzer Zeit mit sehr sauberen Fräskanten ausgeschnitten. Bohrungen für das Anschrauben von Beschlägen liegen an der richtigen Stelle. Gefräste Taschen lassen es zu, Bauteile flächenbündig einzusetzen, sodass eine glatte, funktionell und optisch optimale Außenfläche entsteht.
Für Wilhelm Stricker ist die hohe Flexibilität und rüstzeitarme Betriebsweise des CNC Bearbeitungszentrums von entscheidender Bedeutung. Individualität und die Bereitschaft, auf Kundenwünsche auch in letzter Minute noch einzugehen, sind seine Stärke. Er stellt fest: »Keine fünf Produkte sind identisch. Selbst bei den Feuerwehraufbauten gehen wir auf die individuellen Anforderungen einer Löschgruppe ein. Das BES Multi-Cut Center unterstützt uns dabei in zunehmender Weise. Die Präzision und die saubere Schnittführung ersparen uns viel Nacharbeit. Wiederkehrende Arbeitsfolgen sind gespeichert, die größenmäßige Anpassung von einzelnen Abmessungen ist schnell gemacht.«
Bei der Programmierung setzt Stricker auf ein weitverbreitetes und schulmäßig gelehrtes CAD-Programm. Das machte dem Maschinenführer den Einstieg leicht. Das Multi-Cut Center kann mit sehr vielen CAD-Programmen zusammenarbeiten.
Die BES Maschinen sind in zahlreichen und sehr unterschiedlich aufgestellten Gewerken zu Hause: Von der Möbelindustrie über die Druckkonfektionierung, dem Displaybereich, dem Papier- und Pappenzuschnitt bis hin zu Aufgaben fürs Autogen- oder Plasmabrennschneiden. Lasertechnik und Wasserstrahlschneiden kommen hinzu. In allen Bereichen werden spezielle Programmiersysteme eingesetzt, die CNC-Daten als DXF-Files abliefern. Auf dieser Basis führen die BES Maschinen sämtliche Vorgaben mit hoher Präzision aus, die gekoppelt mit der Vielseitigkeit der Anwendungen schwer zu übertreffen ist.
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